RITA ROHLFING – transparenzen, Christian Krausch, Kunstforum, VfaK/Ruhrgebiet Oberhausen, 2004

Rita Rohlfing / Antje Smollich
Bildobjekte und Installationen
22.8.-10.10.2004

Schon die ersten Informationen machen neugierig. Da ist die Rede von der Konzeption, Realisierung und Dokumentation einer gemeinsamen Ausstellung zweier Künstlerinnen, Rita Rohlfing aus Köln und Antje Smollich aus Hannover, beide Jg. 1964, deren Arbeiten bei aller Unterschiedlichkeit markante Querverbindungen aufweisen. Denn es geht bei Beiden um „transparenzen“ sowie um die Auseinandersetzung mit Farbe und um das Spiel mit Raum. Dem Raum im Bild, wie auch dem Raum des Ausstellungsortes, jener gewaltigen Industriehalle des Vereins für aktuelle Kunst/Ruhrgebiet, mit insgesamt 1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Und nicht zuletzt geht es um das Erleben dieser Charakteristika, das Leben mit den Objekten und den Stellenwert der Bewegung inmitten der Kunst, die dabei trotz aller vermeintlichen Verwandtschaft auf so unterschiedliche Weise ihren Niederschlag gefunden hat.

Die Präsentation ist klar gegliedert. In der vorderen Hälfte der langgestreckten Halle finden sich verschiedene Raum- und Wandinstallationen von Rita Rohlfing, wohingegen der hintere Bereich des Raumes durch die Bildobjekte von Antje Smollich eingenommen wird. Auch wenn beide Künstlerinnen ihre Arbeiten dergestalt im räumlichen Nebeneinander als zunächst in sich geschlossene Ausstellungen verstehen, so erlaubt die Hängung und Platzierung der einzelnen Werke oder Werkgruppen unter Einbeziehung von Sichtachsen dennoch eine klare Verbindung der jeweiligen Positionen. So wandern vom Eingang aus gesehen die Blicke zunächst zu Rohlfings monumentalen Wandinstallationen „Ambivalenz I“ und „Ambivalenz II“ (beide von 2004) aus Plexiglas, Aluminiumprofilen und Aluminium, gewaltige an der Wand befestigte Arbeiten, die trotz ihrer Fixierung den Eindruck von Bewegung und Monumentalität vermitteln. Von dort richtet sich der Blick über ein Aluminiumbodenobjekt „o.T.“ in Form einer Schlaufe, wie auch vorbei an der zentralen Installation „Farbraum“ in den weiter hinten gelegenen Ausstellungsbereich, um hier die Bild-(objekte) „gegenüber“, „PULSA (blau-vertikal)“ sowie „FRACAS (grün-vertikal)“ von Antje Smollich zu erfassen. Leichte Veränderungen des Standpunktes ermöglichen dabei überraschende Erweiterungen des Blickfeldes, so dass andere Werke der Künstlerin, beispielsweise das leuchtend gelbe, an die Stirnwand gehängte und damit über die gesamte Tiefe der Halle sichtbare Bild „SCAN“ von 2004, plötzlich untereinander sowie mit weiteren Arbeiten von Rita Rohlfing, etwa der Installation „Anscheinend“ von 2004, und nicht zuletzt mit dem Betrachter kommunizieren. Dieser Wechsel der Wahrnehmung zählt zum grundlegenden Konzept beider Künstlerinnen, die nicht allein die Bewegung vor dem einzelnen Objekt als Fundament der Erkenntnis verstehen, sondern den Stellungswechsel im Raum an sich zum Thema machen. Bei jedem Schritt ändern sich somit Form und Erscheinung der gesamten Ausstellung, wobei Rohlfings große raumbezogene Installationen mehr noch als die Bildobjekte von Antje Smollich den Bezug zur Dimensionalität der Architektur mit einer Raumhöhe bis zu 7 Meter, immensen Oberlichtern und Blickachsen bis 60 Meter, herstellen. So fügt sich ihre Arbeit „Farbraum“ in den Ausstellungsort als 4 Meter langer und 3 Meter breiter architektonischer Quader ein, bestehend aus 3 Meter hohen Aluminiumpanelen sowie in den Abmessungen gleich großen Plexiglasscheiben, die wiederum durch Aluminiumprofile gehalten werden. Durch die milchig scheinenden Plexiglasplatten lässt sich im Innern ein unterschiedlich gestalteter Farbraum erahnen, wohingegen die Aluminiumpaneele den Durchblick in das Innere verweigern. Sie spiegeln vielmehr den umgebenden Realraum wider, der dadurch, wie auch das Licht zum Bestandteil der Arbeit werden. Die Setzung des geschlossenen Kunstraums steht somit in Bezug zur Architektur des Ausstellungsortes. Rohlfing greift hier auf ambivalente, äußerst gegensätzlich angelegte Bildelemente zurück, indem sie das konkrete, auf Maß und Kalkül basierende Konstrukt mit der schwer zu erfassenden eigenwillig gesteigerten Farbigkeit kombiniert. „Die Farbe wird entstofflicht, bekommt zugleich aber ungreifbare Volumina. Distanzen schwinden, entziehen sich dem Kalkül bleiben aber dennoch sinnlich präsent“, schreibt Klaus Flemming im Katalog „Rotlichtbezirk“ von 2002. „Wäre es nicht paradox, man müsste vom virtuell-konkreten Raum sprechen, von imaginierter Dreidimensionalität, von vorgestellter, unendlicher Tiefe – und dabei ist die Installation doch mit einigen Schritten zu umrunden“. Sämtliche Installationen, Skulpturen und Wandobjekte der Künstlerin sind von diesem „Dualismus aus rationalem Kalkül und emotionaler Komplexität geprägt, wobei den Formen in ihrer minimalistischen Knappheit der Part des Konkreten zufällt, der Farbe und ihrer teilweisen Auflösung der der Assoziation.“ (Flemming)

Im Gegensatz dazu lotet Antje Smollich mit ihren hängenden oder lehnenden Bild-(objekten), Bildplastiken oder raum- und architekturbezogenen Installationen die Grenzen des Malereibegriffs in Form und Inhalt neu aus. Dabei werden neben rein visuellen auch physikalische und chemische Phänomene visualisiert, etwa dann, wenn sich in den Arbeiten „SCAN“ und „FRACAS (grün-vertikal)“ die Acrylglasplatte unter ihrem Eigengewicht dem Betrachter entgegen in den Raum neigt. Smollichs Hauptarbeitsmaterial ist farbiges transluzentes Acrylglas, das sich durch seine kristallinen Materialeigenschaften wie auch durch seine Flexibilität und Leuchtkraft auszeichnet. Zugleich verleiht es den Bild-(objekten), neben ihrem nüchternen, industriellen Charakter, eine poetische Anmutung und vermittelt darüber hinaus den Eindruck schwebender Leichtigkeit, Immaterialität und reiner Farbenergie. Statt mit Pinsel und Farbe arbeitet Smollich mit Holz- und Acrylglasplatten sowie mit pastos aufgetragener Farbe, Binder oder Kleber, der die einzelnen Materialien miteinander fixiert. Aus Verschiebungen der Platten auf der noch flexiblen Klebeschicht resultieren nuancenreiche Farbverläufe, sowie sich im weiteren Trocknungsprozess herausbildende Farbstrukturen. Unter Lichteinfall arrangieren sich neue Linien und belebte Flächen sowie eine feine Transparenz und Fragilität der vollendeten Arbeit. Letztlich entsteht eine unverwechselbare Bildsprache, in der Spannung durch Gegensätze erzeugt wird. Denn der optische Ausdruck einer schwebenden Leichtigkeit steht gegen reale Schwere, das industrielle Material gegen die künstlerisch – kombinatorische Bearbeitung; das kalkulierte, nachvollziehbare Konzept der Bildfertigung gegen Zufall und den Schein des geheimnisvoll Schönen und Vieldeutigen. „So wenig diese Bildobjekte konventionellen Vorstellungen von Malerei entsprechen, so stellt sich in Ihnen doch die entmaterialisierte Kraft der Farbe dar“, erkennt Ernst-Gerhard Güse bereits 1998 das Prinzip von Smollichs Werken. „Sie werden zu Farberscheinungen, die vor den Wänden zu schweben scheinen. Ihre unregelmäßigen Begrenzungen öffnen sie in den umgebenden Raum.“

Und in der Tat spielen ihre Arbeiten mit dem Raum, dem sie sich nicht nur öffnen, sondern der gelegentlich als Spiegelbild in die Arbeiten Eingang findet. So verleiht Smollich nicht allen Oberflächen jenen opaken, sinnlichen Reiz, indem sie das Acrylglas schleift, sondern es in seiner industriellen spiegelnden Glätte belässt. Das Glas erscheint dadurch transparenter und zugleich auch irritierender für den Betrachter, da sich vor seinen Augen zwei fremde Welten, die der konkreten farbigen Materie und die der immateriellen Spiegelung, vereinen wollen. Hierin liegt eine Parallele zu Rohlfings Werken, die nicht minder mit der Wahrnehmung der Betrachter spielen. Doch wo Farbe bei ihr meist immateriell zur Wirkung der Arbeiten beitragen, empfindet Smollich den Einsatz der Farben in ihrem Werk „schon als Malerei – mit anderen Mitteln, weil es sich mit den Themen der Malerei beschäftigt: Licht, Farbe, Transparenz und Flächigkeit.“

Die Werke beider Künstlerinnen eint eine Liebe zu formaler Reduktion, rationalem Kalkül und minimalistischer Ästhetik bei größtmöglicher sinnlicher und subjektiver Präsenz. Zugleich ist das nicht sofort zu entschlüsselnde Geheimnis wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeiten. Materialien und formale Ansätze weisen in diesem Sinne zwar auf den ersten flüchtigen Blick Ähnlichkeiten auf, doch haben Rita Rohlfing und Antje Smollich grundsätzlich verschiedene künstlerische Anliegen, die in der von der Kunststiftung NRW geförderten Ausstellung „transparenzen“ in einem spannungsreichen Gegenüber erlebt werden konnten.

Christian Krausch
2004 Kunstforum Bd. 173

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